Setz dich…

…ein – unter diesem Leitsatz fand in diesem Jahr der Schulbesuchstag am Römerkastell anlässlich des 9. Novembers statt.

Der 9. November markiert in vielerlei Hinsicht einen Wendepunkt der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Wurde an diesem Tag im Jahr 1918 nach dem Ende des Ersten Weltkrieges noch die Republik ausgerufen, versuchten die Nationalsozialisten bereits fünf Jahre später die Demokratie mit einem Putschversuch zu beenden. Nach der Machtergreifung erfolgten am 9. November 1938 organisierte Gewaltmaßnahmen gegen Juden – bekanntgeworden unter der Reichspogromnacht. Der 9. November 1989 markiert mit dem Mauerfall das letzte historische Ereignis, das die beiden geteilten Staaten ein Jahr später wieder zur Wiedervereinigung führen wird.

Angesichts der aktuellen Ereignisse in Halle und des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland war es unserer Schule, die seit 2002 als eine der ersten Schulen im Land den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ trägt, ein besonderes Anliegen, den diesjährigen 9. November unter das Motto „Setz dich ein“ zu stellen – und zwar für demokratische Grundwerte wie Toleranz, Meinungsfreiheit oder ein buntes Miteinander. Damit diese Werte auch nachhaltig im Gedächtnis bleiben und tagtäglich gelebt werden können, stellten Schüler des Sozialkunde-Leistungskurses von Herrn Schinz mithilfe künstlerischer Unterstützung von Herrn Eich und Frau Geisbüsch Stühle her, die schon optisch hervorstechen und somit daran erinnern, dass der 9. November nicht nur ein Tag für die Geschichtsbücher ist, sondern die Erinnerungskultur in den heutigen Zeiten mehr denn je gepflegt werden sollte.

Dies unterstrich auch unser Gast, der zukünftige Landrat Herr Sippel, der vor 300 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangstufen 12 und 13 die Bedeutung dieses Tages herausstellte, den man „nicht so einfach vorüberziehen lassen“ dürfe. Er betonte, dass sich das politische Klima in den letzten Jahren verändert habe und der Ton in der Debatte „rauer“ werde. Vieles, was früher Konsens gewesen sei, werde durch den Erfolg von populistischen Parteien infragegestellt. Man müsse „klare Kante“ zeigen und die Menschen davon überzeugen, dass „die Demokratie die beste Staatsform“ sei.

Dass die Schülerinnen und Schüler des Römerkastells nicht empfänglich sind für populistische Aussagen, zeigte eine anonyme Live-Abfrage, die per Smartphone zu Beginn der Veranstaltung durchgeführt wurde. So stimmten bspw. der Aussage „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland“ nur 13% zu. Die Aussage „Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss“ verneinten 95% der Schülerinnen und Schüler.

Herr Sippel freute sich darüber, dass „wir hier im Raum noch freiheitlich“ denken und leben, mahnte aber zugleich, dass man „wachsam“ bleiben müsse und das Erinnern auch dann fortgesetzt werden müsse, wenn die letzten Holocaust-Überlebenden dazu nicht mehr in der Lage sind.

Im Anschluss entspann sich eine interessante Diskussion, die vom Sozialkunde-Leistungskurs von Herrn Steuer inhaltlich vorbereitet und von den beiden Moderatoren Lea Pühler und Benjamin Possin (beide MSS 12) souverän geleitet wurde.

Frau Maurer rundete die Veranstaltung mit mahnenden Worten aus dem Talmud, eines des bedeutendsten Schriftwerke des Judentums, ab:

„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, 

achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen, 

achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten, 

achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter, 

achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal!”

 

 

Michael Steuer

 

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